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Gedächtnis

Alles, was wir wahrnehmen, überhaupt alles, was wir erleben, wird im Gehirn aufbewahrt. Es hinterlässt dort Spuren, und die Gesamtheit dieser vorhandenen Spuren heißt Gedächtnis. Unter Seelenblindheit ist ein Beispiel für das optische Gedächtnis etwas näher geschildert. Jeder Tag bringt eine Fülle von neuen Erlebnissen aller Art, und die Fähigkeit des Gehirns, diese neuen Wahrnehmungen, Gedanken und Empfindungen zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Erfahrungsschatz aufzubewahren, heißt Merkfähigkeit. Mit Hilfe der Merkfähigkeit also wird der Gedächtnisbestand des Gehirns tagtäglich vergrößert. Für das bewusste Leben ist aber noch eine weitere Eigenschaft des Gehirn
s notwendig, nämlich die sogenannte Reproduktionsfähigkeit, das ist die Fähigkeit, bestimmte Gedächtnisinhalte zu gegebener Zeit auch wieder aus der Tiefe des Gedächtnisses an die Oberfläche unseres Bewusstseins hervorzuholen, damit wir davon Gebrauch machen können. Um diese Arbeit des Gehirns deutlich zu machen, hier ein besonderes Beispiel: Fragt man einen Erwachsenen etwa nach dem Muster der Tapete in seinem Kinderzimmer, so wird er sagen, dass er sich daran nicht mehr erinnern kann. Wird dieser Erwachsene in Hypnose versetzt und sagt ihm der Hypnotiseur: »Sie sind jetzt 8 Jahre alt, liegen in Ihrem Kinderzimmer im Bett und schauen auf die Wand. Beschreiben Sie nun das Muster an der Tapete«, so wird der Hypnotisierte eine recht genaue Schilderung dieses Tapetenmusters geben können. Das besagt: Die »Merkfähigkeit« des Gehirns hat dazu geführt, dass das damals wahrgenommene Tapetenmuster in das Gedächtnis aufgenommen wurde. Unter normalen Umständen versinkt aber der größte Teil des Gedächtnisses unter der Schwelle des Bewusstseins und kann von dorther auch nicht mehr »emporgeholt« werden. Der Versuch in der Hypnose beweist aber, dass nichts aus dem Bestand des Gedächtnisses spurlos verlorengeht und dass hier z. B. das Muster einer früher einmal gesehenen Tapete mit Hilfe eines Kunstgriffs wieder ins Bewusstsein gebracht, also reproduziert werden kann. Wer demnach sagt, er habe ein schlechtes Gedächtnis, weil er sich an etwas Erlebtes nicht mehr erinnern kann, der hat – nach dieser Erklärung – eigentlich nur eine schlechte Reproduktionsfähigkeit für die in seinem Gedächtnis sicher vorhandenen Spuren dieses Erlebnisses. Im Stichwort Psychoanalyse ist von dieser Eigenschaft des Gehirns, zwar alles Erlebte im Gedächtnis zu behalten, jedoch nur einen sehr begrenzten Teil davon dem wachen Bewusstsein zugänglich zu haben, eingehender besprochen. Hier soll noch von einigen Besonderheiten des Gedächtnisses die Rede sein. Mit zunehmendem Alter bleibt zwar der Gedächtnisbesitz erhalten, die Merkfähigkeit jedoch – also die Fähigkeit, dem Gedächtnis neue Eindrücke hinzuzufügen – lässt nach. So kommt es, dass alte Leute sich immer noch recht genau an Geschehnisse, die vor Jahren stattfanden, erinnern können, jedoch nicht mehr an das, was gestern geschah. –Üben fördert das Behalten, ein mehrfaches Wiederholen z. B. der gleichen Sätze prägt ihre Spuren also deutlicher dem Gedächtnis ein. Das ist eine Art von mechanischem Gedächtnis, und dieses ist charakteristisch für das Kind und den jungen Menschen. Später steht im Vordergr und das logische Gedächtnis, bei dem die Reproduktion des Erlebten mehr an dessen verstehbaren inneren Gehalt geknüpft ist. Ein Kind lernt spielend ein langes Gedicht, vermag aber den Inhalt einer Rede, auch wenn es sie leidlich verstanden hat, nicht recht wiederzugeben. Der Erwachsene umgekehrt gibt ohne Schwierigkeiten den Inhalt eines Vortrags, dem er aufmerksam zuhörte, wieder, das »mechanische Auswendiglernen« eines Gedichts aber macht ihm große Mühe. – Manche Menschen lernen überwiegend vom Auge, andere überwiegend vom Ohr aus. Mit anderen Worten: einer lernt besser, wenn er die Niederschrift eines Vortrages liest, ein anderer besser, wenn er den Vortrag anhört. – Die Reproduktionsfähigkeit von Erinnerungen aus unserem Gedächtnis ist weitgehend von unseren Gefühlen abhängig. Lustbetonte Erlebnisse werden gern aus dem Gedächtnisbestand wieder in das bewusste Erinnern hervorgehoben (das ist dann »die gute alte Zeit«, an die man häufig denken muss); unlustbetonte Erlebnisse verschwinden oft sehr schnell in der unserem Bewusstsein nicht mehr zugänglichen Tiefe des Gedächtnisses. Bei krankhaften Störungen der Gehirntätigkeit kommt es zu bestimmten Störungen des Gedächtnisses. Bekannt ist das völlige Ausgelöschtsein des Gedächtnisses für eine bestimmte Zeitspanne infolge einer Gehirnerschütterung. Wer eine Gehirnerschütterung durchmachte, hat eine solche Amnesie (Gedächtnislücke) für eine bestimmte Zeitspanne, vom Augenblick des Unfalls an rückwärts gerechnet. Sie kann für die letzte Minute vor dem Unfall bestehen oder für die letzten drei Tage davor, und man kann die Schwere einer Gehirnerschütterung (siehe dort) nach dem Umfang dieser Amnesie ermessen. – Bei manchen Geisteskrankheiten treten Gedächtnisstörungen in Form von Halluzinationen auf, über die gesondert gesprochen ist. Hier noch eine Anmerkung zum so genannten schlechten Gedächtnis, von dem so oft gesprochen wird. Nach dem zuvor Gesagten muss man also zunächst unterscheiden, was eigentlich schlecht ist, die Merkfähigkeit für neue Erlebnisse bzw. Tatsachen oder die Reproduktionsfähigkeit (das Wiederhervorholen) von Tatbeständen, die man sich zunächst gut gemerkt hat und die dann in dem großen Behälter des Gedächtnisses offenbar unauffindlich verschwunden sind. »Jetzt fällt mir der Name wieder ein, auf den ich gestern nicht kommen konnte«, sagt man dann, und damit ist ja bewiesen, dass er im Speicher des Gedächtnisses vorhanden war, dass es nur gerade gestern nicht gelang, ihn sogleich von dorther wieder parat zu haben. Es macht natürlich mit zunehmendem Alter manchmal Schwierigkeiten, über den gesamten Gedächtnisbesitz sogleich souverän zu verfügen und alles, was man gerade braucht, auch unmittelbar gegenwärtig zu haben. Auch diese Schaltungen in der höchst komplizierten Gehirnzentrale lassen dann manchmal etwas zu wünschen übrig. Das ist ein übliches, mit dem Altwerden verbundenes Geschehen, gegen das sich nicht viel tun lässt (wenn sonst alles in Ernährung, Verhalten und Lebensweise getan wurde, um nicht auch in dieser Beziehung vorzeitig zu altern). Zumindest aber soll man ein vorzeitiges Einrosten dieser Reproduktionsfähigkeit nicht dadurch begünstigen, dass man sich schon frühzeitig angewöhnt, von einem Herrn Dingsda aus Dingsda, der dieses Dingsda geschrieben hat, zu sprechen, ohne Ehrgeiz, vielleicht doch noch rechtzeitig auf die richtigen Bezeichnungen zu kommen. Auch hier neigen Fähigkeiten zum Veröden, wenn man sich nicht bemüht, sie zu üben. – Die andere Form des so genannten schlechten Gedächtnisses, das Nachlassen der Merkfähigkeit für Tatsachen, die man eben erst gestern erfahren hat, ist im Allgemeinen ein typisches Zeichen für das Altwerden des Gehirns, das zudem noch im höheren Alter weniger gut ernährt wird (z. B. infolge einer Arterienverkalkung im Gehirn) und auch deshalb neue Eindrücke nicht mehr so prompt wie früher speichern kann. Aber auch in dieser Beziehung lässt sich manches bessern, wenn man allem, was geschieht, mit Fleiß seine Aufmerksamkeit zuwendet, statt zunehmend sein Interesse erlahmen zu lassen. Auch hier hängt viel davon ab, dass man sich Mühe gibt, in Übung zu bleiben.

 

 

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