Gesundheitslexikon
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Psychoanalyse

Im Jahre 1893 veröffentlichten zwei Wiener Ärzte ihre Beobachtungen an einem besonderen Krankheitsfall: Es handelte sich um ein 21jähriges hochbegabtes Fräulein aus einer guten Familie, das an komplizierten Lähmungserscheinungen, Dämmer- und Erregungszuständen und nervösem Husten litt. Die ersten Krankheitserscheinungen waren aufgetreten, als dieses Fräulein ihren kranken Vater in zahlreichen Nachtwachen pflegte, was über ihre seelischen Kräfte gegangen sein dürfte. Die Ärzte beobachteten, dass die einzelnen Krankheitszeichen verschwanden, wenn die Kranke in einem Dämmerzustand Erinnerungen aussprach, die mit der Entstehung der betreffenden Symptome während der Pflegezeit des 705kranken Vaters in Zusammenhang standen. Diese Zusammenhänge waren inzwischen dem Wachbewusstsein der Kranken vollkommen entfallen gewesen. Indem die Kranke nun wie auf ein Stichwort die ganze Entstehungsgeschichte des betreffenden Symptom
s wiedergab, verschwand dieses Symptom, und die Kranke fühlte sich wesentlich erleichtert. Die Ärzte gelangten dadurch zu der Überzeugung, dass die hysterischen Symptome der Ausdruck unbewusster Erinnerungen sind, deren Auffinden und Wiedererleben das Symptom beseitigt. Um das Auffinden der Erinnerungen zu erleichtern, wurde die Kranke durch Hypnose in einen künstlichen Dämmerzustand versetzt. Dieses Verfahren wurde Psychokatharsis (Seelenreinigung) genannt. Während sich der eine der beiden Ärzte bald zurückzog, verfolgte der andere – Sigm und Freud (18561939) die eingeschlagenen Untersuchungen intensiv weiter. Freud ließ die Hypnose bald weg und arbeitete mit wachen Patienten. Zur Erforschung des Unbewussten benutzte er folgende Wege:Die freien Einfälle: Der Patient musste, ohne an etwas Bestimmtes zu denken, frei heraussagen, was ihm gerade in den Sinn kam.Die Fehlleistungen: Versprechen, Verhören, Vergessen, Fehlgreifen, Liegenlassen. Diese Fehlhandlungen sind nicht zufälliger Natur, sondern werden vom Unbewussten dirigiert.Die Träume: Diese stellen nach Freud den wichtigsten Zugang zum Unbewussten dar. Die Bildsprache des Traumes hat allerdings symbolischen Charakter, sie darf nicht ohne weiteres »für bare Münze« genommen werden, sondern sie muss erst verarbeitet, gedeutet werden. Die Traumdeutung geht so vor sich, dass der Arzt den Patienten zu den mitgeteilten Traumbildern freie Einfälle hersagen lässt. Freud entwickelte nun aus seinen Erfahrungen eine neue Lehre von der Seele, die aus einzelnen Trieben aufgebaut ist, dieaus dem Unbewussten auf den Menschen wirken. Dabei wurde der Sexualität eine Vorrangstellung eingeräumt. Manche Triebregungen werden allerdings von der Zensur des Bewusstseins in das Unbewusste zurückgedrängt und kehren nach ihrer Verdrängung teils als neurotische Störungen aller Art, teils verfeinert, sublimiert, als wissenschaftliche, künstlerische oder religiöse Bestrebungen wieder. Das heißt, dass alle seelischen Inhalte und Strebungen von sexueller Energie (= Libido) gespeist werden.Durch seine Methode, die er als Psychoanalyse bezeichnete, wollte Freud die in das unbewusste Seelenleben verdrängten Erlebnisse, Gefühle und Triebe an das Bewusstsein heben. Dadurch sollten sie ihre krankmachende Wirkung verlieren. Die verschiedenen Neurosen sah Freud als Auswirkung der verdrängten Gefühle und »unverdauten« Erlebnisse an, die nun durch die Psychoanalyse geheilt werden sollten.Das schonungslose Sprechen über sexuelle Dinge brachte Freud Ablehnung und Verachtung seiner Zeitgenossen ein. In späteren Jahren setzte er dem Lustprinzip den Todestrieb gegenüber: »Zweck allen Lebens ist der Tod.«Aus der Psychoanalyse entwickelten sich verschiedene Richtungen der Seelenheilkunde: die Individualpsychologie vonAlfred Adler (Wien), die komplexe Psychologie von C. G. Jung (Zürich) und dieExistenzanalyse von V. E. Frankl (Wien).

 

 

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